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Kalinigrad

P

Paulie

Guest
Die Fahrt nach Kalinigrad Mai 2013:

Tag 0, 15.5.
Nachdem ich eine Woche krank war Probefahrt mit dem Mopped, ob der Kreislauf mitmacht. Macht er. Rita in Sorge. Ich plane Landstraße zu fahren, um nicht in den Feiertagsverkehr zu geraten und offen gestanden habe ich ein wenig Schiss ob ich es durchhalte. Ich habe aber keine Lust die lange Planung und bezahlten Sachen sausen zu lassen

Tag 1, 16.5.
Von Aurich bis Glückstadt fast in Wintermontur gefahren: 10,5 - 14°C, diesig bis nass. Ab Glückstadt wird es Zug um Zug wärmer. Temperatur steigt bis auf 25°C. Unterwegs immer wieder fast Gewitter, Glück gehabt. Weiter geht es via Ratzeburg, über Wismar auf leerer werdenden Landstraßen. 40km vor Anklam schurgerade Allee, leider Tempo 80, 100 geht auch, dank Blitzwarner. Tolle Landschaften, wenig Menschen. Nach 11 Stunden Fahrt auf Landstraßen komme ich um 21.00 Uhr in Usedom an.

Tag 2, 17.5.
1 Tag Pause im Gasthof Natzke in Usedom, ich leihe mir ein Fahrrad und radle in kurzen Sommerklamotten zur gesprengten Eisenbahnbrücke.

Nachmittags hingelegt, bis die Hamburger Motorradfahrer eintrafen. Gleich mit Bier und Essen gestartet, gegenseitig mit Geschichten unterhalten. Essen auf Usedom ist einfach, Bier ist gut. Gegen Abend Gewitter mit einsetzenden Dauerregen, bis Morgens ...

Tag 3, 18.5.
... Nieselregen, Abfahrt bei 13°C Richtung Swinemünde. Auf der Straße ein überfahrener Frischling. In Swinemünde mit der Fähre übergesetzt.

Weiter geht es durch Polen bis Marienburg. Es ist wieder 23° und wolkenlos. Leider machen alle Restaurants bereits ab 21.00 Uhr zu, so landen wir alle im McD., so ein Schei**. Das Hotel Centrum in Marienburg (Malbork) ist ok, mit Klima und Minibar. Die Moppeds stehen vor der Rezeption, hoffentlich sind sie morgen noch da.

Nach einer kleinen Party der Minibar und Nutzung des WLANS (umsonst) geht es ab ins Bett.

Tag 4, 19.5.
Um 5.15 wach. Beim Frühstück ist mir flau im Magen, immer noch kein Appetit nach der Krankheit. Zwinge mich etwas zu Essen, 2 Kaffee und um 9.00 Uhr geht es runter zum Mopped. Im Fahrstuhl spricht mich eine Polin an, wo es denn hingehe. Ich antworte nach Kalinigrad. Sie sieht mich an, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank hätte. Als ich erkläre, ich wolle wissen wo meine Großeltern und Mutter herkommen ist sie so gerührt, dass sie mir unwillkürlich an den Arm fasst. Scheint sie hat auch so eine Geschichte.

An der Grenze zu Rußland: Uups, das geht ja schnell und formlos, ich freue mich. Denkste, nach der 3. Kontrollstation geht es richtig los mit dem Papierkrieg. Ich fahre an allen Autos vorbei nach vorn zu einem finnischen Motorradfahrer. Nach 1 Stunde in 28°C sind wir beide dran. Er freut sich, die freundliche Dame vom russischen Zoll füllt ihm die Papiere aus. Zu früh gefreut, der Chef der Dame winkt sie weg, und fängt alles von vorn an zu prüfen. Das dauert. Endlich fertig, jetzt bin ich dran. Ich bekomme die Papiere in kyrillischer Schrift mit ein paar mündlichen Erklärungen in die Hand gedrückt; selber ausfüllen. Der Finne hilft, dennoch wird es ein wenig durcheinander. Ich bin wieder dran, ein Papier wird zerrissen, noch einmal bitte, wie in der Schule. Polen helfen mir, eine hat das gleiche Formular in Englisch dabei. Endlich kapier ich was. Der langsame aber freundliche russische Zöllner ist zufrieden und ordnet jetzt die Papiere neu, prüft und prüft ... ein Pole hinter mir meint: gleich telefoniert er mit Putin. Na ja, nach 2 Stunden Grenzkontrolle bin ich um 12.00 Uhr fertig und darf passieren.

Kalinigrad/Königsberg sieht nicht schön aus. Ich fahre durch das Stadttor, es wird eng: rechts hoher Bordstein, uraltes ausgefahrenes Kopfsteinpflaster und gleich links hohe Straßenbahnschienen aus der Zeit vor dem Krieg. Es wird ein Balanceakt. Dank OSM Karten, Bluetooth und Headset leitet mein Navigationsgerät mich sicher zum Büro von Baltic Travel. Hier muss ich noch Papiere für die Sperrgebiete abholen. In Kalinigrad sehe ich auch die ersten russischen Motorradfahrer, alle grüßen. Ich halte und direkt neben mir stoppt eine Yamaha. Ich werde freundlich in russisch angesprochen und wir unterhalten uns einige Zeit in russisch und deutsch. Keiner versteht was, aber wir sind dennoch zufrieden. Die Papiere sind nicht fertig. Ich komme anscheinend völlig überraschend, habe mich doch erst vor 3 Monaten angemeldet. Na ja, denke ich, in Russland ist Geduld eine Waffe. Ich hole mir Geld und Wasser aus der Stadt und mache es mir im Reisebüro gemütlich. Wurst, Wasser, Banane und Käse auf den Tisch, Jacke und Schuhe aus. Jetzt merkt jeder Russe, dass ich bleibe, bis ich meine Papier habe. Hektik bricht aus. Am Ende (nach 2 Stunden) ist alles gut und ich fahre Richtung Sasnvoka aus Kalinigrad raus.

Die Straßenoberfläche ist durch die Hitze teilweise flüssig, sehr gefährlich. Kälber, Hühner und Hunde kreuzen oder stehen am Straßenrand oder gleich auf der Straße, Zäune gibt es hier nicht. Über der Landschaft liegt ein Geruch von verbrannter Teerpappe. Nach einer Stunde komme ich im Forsthaus Baum an. Schreck, es sieht verlassen aus. Ein Gebäude ist offen, es ist aber niemand da. Im Fenster eine Telefonnummer, ich rufe an. Es meldet sich Moskau, ja man sage Bescheid. Darauf erscheint ein altes Mütterchen und zeigt mir alles. Sehr einfaches Ambinente, von wegen 2 Restaurants und Sauna (Webseite). Alles außer Betrieb, Duschen gehen nicht, kein warmes Wasser im Zimmer, hinter den Betten und Schränken der Dreck von Jahren. Zum Glück gibt es unten 2 Duschen für alle, die funktionieren. Ich verlange Piva (Bier), das Mütterchen geht voraus, plötzlich ist sie weg. Selbständig wie wir Deutschen sind, gehe ich hinter die Theke und öffne den Kühlschrank: leer. Ein bestialischer Gestank erfüllt umgehend den Raum und steht bedrohlich im Raum. Ich werfe die Kühlschranktür zu und entferne mich in eine andere Ecke des Raumes. Mir ist schlecht.

Das Mütterchen erscheint mit 2 Bier, ich verlange Vodka.

Abends erscheinen noch andere Personen, einer stellt sich mir als Nazier, der Direktor vor. Das Mopped kommt in die Garage, ich dusche. Das Wasser riecht nach verbrannter Teerpappe. Das Fenster meines Zimmers ist mit Silikon zugeklebt, an Lüften ist nicht zu denken. Unter den Matratzen konnte ich kein Leben erkennen und beschließe den Tag darin zu beenden.

Tag 5, 20.5.
Morgens nach Wildwiese gefahren. In Kreuzingen Polizeikontrolle auf jeder Straßenseite. Zum Glück sind sie beschäftigt, bevor sie von mir Notiz nehmen können biege ich ab Richtung Groß Friedrichsdorf. Auf dem Weg dorthin Militärpolizei. Zum Glück sind auch sie gerade abseits und machen Pause, vorbei und weg. Groß Friedrichdorf sieht heruntergekommen aus, die Menschen dort laden nicht zum verweilen ein und ich halte im Ort nicht an, hier wird es einsam. Der Weg Richtung Wildwiese besteht aus einem frisch aufgefahrenem Sand Kies Gemisch. Für mich ungewohnt zu fahren. Hier ist leider nichts mehr, die Landschaft ist leer, nur Sträucher und Büsche. Einige alte Fliederbüsche am Wegesrand erzählen von vergangen Gärten.

Am Nachmittag kein Strom, kein Wasser in der Herberge. Ich sehne mich nach dem schönen Hotel in Malbork und fange an zu packen. Jetzt höre ich die anderen Motorradfahrer ankommen und beschließe zu bleiben. Wir begrüßen uns, und ich vergnüge mich ein wenig an ihren entsetzten Gesichtern. Sie hatten Vollpension gebucht und ließen mich mitessen. Frustfeier: Es gibt Wodka und Bier für alle.

Tag 6, 21.5.
Abreise ... endlich. 9.00 Uhr, ich merke den Abend vorher, egal jetzt los. 21°C Sonne/Wolken. Beim Tanken bricht bei meinem Eintreten im Kassiererhäuschen Panik aus, ich habe mein Tuch noch vorm Gesicht. Schnell heruntergezogen, jetzt ist alles wieder gut. Via Kalinigrad geht es zur Grenze. Die Russen sind diesmal flott, aber die Polen sind jetzt gründlich. Wieder in Polen: endlich wieder Farben! Quer durch Polen geht es zumeist auf Landstraßen an Danzig vorbei Richtung Usedom. 100 km vor Usedom 7,5°C Dauerregen. Die Regenjacke kaputt ... Mist. Ich ziehe alles unter die Jacke was passt. In Svinemünde verpasse ich gerade die Fähre, die nächste geht in einer Stunde. Ich stehe im Regen. Ich fahre zu einem andern Fähranleger, hier geht es aber nur nach Stockholm, also zurück und warten. Die Jacke hält einigermaßen dicht bis ich nach 12 Std. fahrt in Usedom ankomme. Die freundlichen Wirtsleute haben extra für mich die Küche angelassen. Die Klamotten hängen zum Trocknen über der Heizung, vor mir stehen Bratkartoffeln mit Sauerfleisch, endlich mein Magen spielt wieder mit.

Tag 7, 22.5.
Start um 10.00 Uhr bei 18 - 20°C. Über die Autobahn geht es schnell bis Hamburg weiter, hier setzt kalter Regen ein. Regenhose angezogen, der Rest muss ohne Regenjacke weitergehen, noch 200km, Zähne zusammenbeißen, das wird nass und kalt. Beim Tankstopp läuft mir das Wasser in Strömen aus den Ärmeln, das Halstuch wird nass wieder umgelegt und weiter. Ab Oldenburg wird es trocken, in Aurich bin ich fast völlig trocken.

Zu den Bildern:

Da wo (jetzt) Nichts ist kommt meine Mutter her, war früher eine blühende Landschaft.
Das Mopped am Hafen ist in Pollesk (Labiau).100Reise k (25 von 52).jpg 100Reise k (46 von 52).jpg 100Reise k(31 von 52).jpg 100Reisek (48 von 52).jpg Reise k(45 von 52).jpg Reise k(52 von 52).jpg
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Sehr ernüchternd.

Trotzdem gut, dass du diese Reise gemacht hast. Es gibt Dinge, die man tun muss.
 
Schöner Bericht! Danke!

Toll fände ich es wenn die Bilder passen zwischen dem Text wären.
Wenn du mir sagst welches Bild wohingehört mach ich das noch nachträglich für dich ! :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Mhmmm, so ähnlich erging es meinem Vater, als er in seine Heimatstadt Neustettin fuhr. Ich habe aufgrund seiner Berichte beschlossen, dass ich das nicht brauche. Und dein Bericht verstärkt meine Entscheidung. Aber interessant zu lesen.
 
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